Fast jeder Hündinnenhalter hat schon mal gehört oder auf FB gelesen, das eine Hündin einmal im Leben Welpen bekommen sollte.
Ist das ein Ammenmärchen oder ist da was dran?
Sehen wir uns mal die Argumente, die dafür sprechen sollen und allgemein verbreitet sind und immer noch werden, an.
Argument 1 : der natürliche Wunsch der Hündin „einmal Mutter sein zu dürfen.
Fakt ist: Nach aktuellem Stand gibt es einen solchen Wunsch in der Tierwelt nicht. Tiere haben den natürlichen Trieb sich fortzupflanzen um die eigene Art zu erhalten. Eine gesunde Hündin wird sich, ihren Instinkten gemäß, bei jeder Gelengenheit fortpflanzen.
Argument 2 : Krebsvorsorge durch Trächtigkeit? Es hält sich der Glaube das eine Geburt der Krebsvorsorge dienlich sei.
Fakt ist : Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür das Hündinnen die niemals einen Wurf hatten eher an Krebs erkranken als Hündinnen die schon einen Wurf gemacht haben.
→ Ganz im Gegenteil :
Eine Geburt birgt viele Risiken für eine Hündin über die sich jeder Halter im Vorfeld bewusst sein sollte. Gar nicht so selten kommt es bei einer Geburt zu Komplikationen. Dies „passiert“ auch langjährigen Züchtern, die in derart gefährlichen Situation jedoch auf Ihre Erfahrung zurückgreifen können. Es ist für jeden Hundehalter, egal ob nun Züchter oder nicht, eine der schrecklichsten Vorstellungen einen der Welpen oder gar die eigenen Hündin bei der Geburt auf Grund erheblicher Komplikationen zu verlieren.
Argument 3 : eine Trächtigkeit würde sich positiv auf die körperliche und geistige Entwicklung einer Hündin auswirken.
Fakt ist : Je nach Rasse und Größe kann die erte Läufigkeit zwischen dem 7-12 Monat eintreten. Speziell große Rassen wachsen aber bis zum 2. Lebensjahr. Somit ist die Hündin mit eintreten der Läufigkeit nicht automatisch erwachsen. Veränderungen psychischer wie physischer Natur sind nach einem Wurf nicht vollkommen auszuschließen. So trifft zumindest Großteils zu, dass viele Hündinnen ein vergrößertes Gesäuge ausweisen, nachdem sie Welpen hatten, nicht immer bildet sich dieses vollständig zurück. Es gibt vereinzelte Berichte über Wesensveränderungen bei Hündinnen, die einmal geworfen haben, dies tritt vornehmlich bei sehr jungen Hündinnen nach einem Wurf auf. Dies lässt natürlich auch die Spekulation zu, dass diese Wesensveränderung weniger an den Welpen als vielmehr am jungen Alter der Hündin lag.
Argument 4 : eine Hündin die bereits Welpen großziehen durfte wird nicht mehr scheinträchtig, da ihr Körper den Unterschied nun kenne.
Dies ist völliger Quatsch. Die Scheinträchtigkeit hat ganz andere Hintergründe.
Welpen ja, aber niemals unüberlegt!
Abschließend möchte ich den einzigen Grund nennen, der dafür spricht, dass ihre Hündin einmal im Leben Welpen haben darf (nicht soll!). Der Grund ist, weil Sie es möchten! Richtig gelesen! Sie möchten es so, nicht die Hündin.
Grundsätzlich spricht ja auch nichts dagegen, sofern Sie folgendes beachten:Ihre Hündin sollte gesund sein und körperlich in der Lage, einen Wurf alleine groß zu ziehen. Selbstverständlich werden Sie sie unterstützen, aber generell sollte die Hündin dazu alleine im Stande sein, sonst sind die Voraussetzungen denkbar schlecht.
Weiteres sollten Sie sicher sein, dass Ihre Hündin frei von Erbkrankheiten ist. Dies können Sie natürlich nur wissen, wenn Sie ihre Hündin entsprechend untersuchen ließen und die Vorfahren Ihrer Hündin kennen, da manche Erbkrankheiten bekanntlich ja auch Generationen „überspringen“ können (auf die Feinheiten von rezessiven und dominanten Erbgängen einzugehen würde hier den Rahmen bei weitem sprengen). Selbstverständlich gilt selbiges ebenso für den Deckpartner und zukünftigen Vater der Welpen, schließlich entstehen die Welpen bekanntermaßen aus einer Mischung der Erbmaterialen beider Eltern und nicht nur aus den Genen der Mutterhündin. Können Sie nur eines dieser Kriterien nicht zweifelsfrei erfüllen, rate ich Ihnen ganz dringend davon ab Ihre Hündin decken zu lassen. Denn abgesehen von den Komplikationen die bei einer Geburt noch auf Sie und Ihre Hündin warten können, ist das Risiko kranke Welpen in die Welt zu setzen schlicht zu hoch. Mischlinge (hierzu zählen alle Hunde, deren Abstammung nicht einwandfrei nachvollzogen werden kann, bspw. zählen auch zwei phänotypisch einer Rasse zugehörige Exemplare, über deren Abstammung nichts bekannt ist zu den Mischlingen) von denen niemand genau weiß welche (erblich bedingten) Krankheiten in ihnen schlummern, gibt es schließlich schon genug.
Auch wenn Sie Ihre Hündin total lieb und schön finden, gibt es keine Garantie dafür, dass sich diese Eigenschaften vererben. Je weniger die beiden Deckpartner miteinander verwandt sind, desto unterschiedlicher und vielschichtiger werden die Welpen sein, sowohl optisch als auch in ihren Charakterzügen. Dass Sie einen Welpen erhalten, der Ihrer Hündin sowohl vom Aussehen als auch vom Wesen her ähnelt ist ohne genetisches Grundwissen und den geeigneten Deckpartner wohl eher ausgeschlossen.
Besser ist es daher, das züchten auch wirklich denen zu überlassen, die sich damit eingehend beschäftigen und viel Zeit in Fortbildung und die Erlangung von Fachwissen (unter anderem im Bereich Genetik) investieren, den Züchtern. Es ist ohnehin jeder Hund ein Individuum, und bringt daher seine ganz persönliche Note in Ihr Leben.
Fazit
Es gibt nach aktuellem Stand der Wissenschaft keinen medizinischen Grund, der dafür spricht, Ihre Hündin einmal im Leben Welpen aufziehen zu lassen. Sie können die eingangs aufgestellte Behauptung „Eine Hündin sollte mindestens einmal im Leben werfen“ getrost als hartnäckiges Gerücht, welches von Generation zu Generation überliefert wird, betrachten und als solches abtun, wenn wieder einmal einer ihrer Bekannten, Freunde, Verwandten oder gar Ihr Tierarzt Sie davon überzeugen möchte. Vielmehr ist es Ihnen nun möglich dies zu widerlegen und andere über diesen hartnäckigen Irrtum in der Hundehaltung aufzuklären.